Tumaco liegt an der Pazifikküste Kolumbiens und ist eine der Gemeinden mit der grössten Koka-Produktion des Landes. Lange Zeit stand die Region unter dem Regime der nationalen Guerillabewegung FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia). Nach dem Friedensabkommen zwischen der Regierung und der FARC haben deren Mitglieder die Waffen zwar niedergelegt. Nichtsdestotrotz bekämpfen sich nun Drogenhändler:innen sowie paramilitärische Gruppen weiter, um Kontrolle über die lukrativen Anbaugebiete und Schmuggelrouten zu erhalten.
Unter dieser prekären Sicherheitslage leidet die gesamte Zivilbevölkerung, besonders aber die Jugendlichen Tumacos, denn die bewaffneten Akteur:innen rekrutieren vor allem junge Menschen aus den wirtschaftlich und sozial benachteiligten Vierteln. Gerade dort ist die Gewalt omnipräsent und es fehlt an Infrastruktur und beruflichen Perspektiven.
In diesem Kontext hat sich der Schweizer Verein Cuisine sans frontières mit dem lokalen Jugendzentrum Centro Afro Juvenil im Herzen des Viertels Nuevo Milenio in Tumaco zusammengetan, um den hauseigenen Imbiss «Piqueteadero» auszubauen und einen gastronomischen Treffpunkt zu schaffen. Das Ziel des Centro ist es, gemeinsam mit den rund 100 Jugendlichen kreative Räume zu schaffen, in welchen sie abseits der Strasse eine berufliche Perspektive, Gemeinschaft und Alternativen zu den bewaffneten Konflikten, dem Drogenhandel und der Prostitution erhalten.
Geführt wird der Piqueteadero («Pique») von der jungen Kolumbianerin Jenny Angulo sowie einem Team freiwilliger Jugendlicher. Der Pique ist bereits 2020 auf Initiative der Jugendlichen hin entstanden, welche etwas dazu beitragen wollten, eigene Ressourcen zur Finanzierung des Zentrums zu generieren. Zu der einfachen Küche und dem Fenster zur Strasse, von wo aus täglich kolumbianische Snacks wie Empanadas (gefüllte Teigtaschen) an Passant:innen verkauft werden, wurde 2023 dank der Unterstützung von Cuisine sans frontières ein Sitzbereich hinzugefügt. Dieser lädt die Kundschaft zum Verweilen und gemeinsamen Geniessen des Essens ein.
Einer der Jugendlichen aus dem Pique ist Jailer Cortés. Seine Mutter ist seit seiner Geburt schwer krank. Jailer ist deshalb bei seinen Grosseltern in sehr bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen. Das Kochen begleitet Jailer seit er jung ist. Bereits als Kind half er seiner Grossmutter oft und gerne in der Küche, auch aus kindlichem Trotz und Rebellion, denn sein Grossvater meinte stets, dass ein Mann nichts in der Küche verloren habe. Für Jailer stellt das Kochen jedoch eine Chance dar und die guten Gerüche sowie das kreative Arbeiten am Herd lassen ihn seine Alltagssorgen für eine Weile vergessen.
Mittlerweile ist Jailer 19 Jahre alt und träumt davon, das Kochen zu seinem Beruf zu machen und eines Tages sein eigenes Restaurant zu eröffnen. Dazu absolviert er im Rahmen des Projekts nun eine einjährige Gastronomieausbildung in einer staatlich anerkannten Schule. Daneben verbringt er seine freie Zeit im Pique, wo er an neuen Rezepten tüftelt und am Abend oftmals der Letzte ist, der den Imbiss verlässt. Der Pique bietet nicht nur Jailer eine Chance, seinem Traumberuf näher zu kommen, sondern ermöglicht es auch, Menschen an einen Tisch zu bringen, die Gemeinschaft zu fördern und so, Empanada um Empanada, den Frieden zu fördern.