Jugendbeteiligung und ihr Bezug zu Friedensabkommen

Bruno Guerrero
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Mit einem Anteil von 24 % an der Weltbevölkerung ist der Anteil von Jugendlichen an der Bevölkerung1 heute so groß wie nie zuvor in der Geschichte, und dennoch werden sie oft nicht berücksichtigt, obwohl sie weitreichende Folgen von bewaffneten Konflikten zu tragen haben.

In vielen von Konflikten betroffenen Ländern machen Jugendliche die Mehrheit der Bevölkerung aus, und Schätzungen zufolge ist fast jede vierte junge Person in irgendeiner Form von bewaffneten Konflikten betroffen.2 Zu den Folgen gehören ein erschwerter Zugang zu Bildung, Gesundheitsfürsorge und einer gesicherten Lebensgrundlage sowie wiederholte Viktimisierung, identitätsbedingte Diskriminierung und soziale und wirtschaftliche Marginalisierung.3 Daher ist es für lokale, nationale, regionale und internationale Institutionen und Akteure unerlässlich, Strategien zu entwickeln, die junge Menschen aktiv in Friedensprozesse und in Zeiten friedlicher Übergänge einbinden.

Ein wichtiger Meilenstein für die Agenda «Jugend, Frieden und Sicherheit» war die Annahme der ersten Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen (UNSCR 2250) im Jahr 2015. Mit dieser Resolution wurde ein globaler normativer Rahmen geschaffen, der den wichtigen Beitrag und die Rolle junger Menschen in Friedensprozessen anerkennt. Sie unterstreicht die Bedeutung der Beteiligung junger Menschen in Friedensverhandlungen und -abkommen und erkennt an, dass ihr Ausschluss das Erreichen eines nachhaltigen Friedens behindern kann.4 Drei Jahre später wurde in einer zweiten Resolution die konstruktive Rolle der Jugend bei der Friedenskonsolidierung und Konfliktprävention hervorgehoben. Sie forderte alle Beteiligten auf, ihre Perspektiven zu berücksichtigen und ihre volle Beteiligung an Friedens- und Entscheidungsprozessen auf allen Ebenen sicherzustellen.5

Betrachtet man die Geschichte der Friedensprozesse,6 so fällt auf, dass der Schwerpunkt auf Verhandlungen liegt, an denen in der Regel die Hauptakteur:innen und Entscheidungsträger:innen aus dem Konfliktumfeld beteiligt sind, während inklusive Prozesse und Vereinbarungen oft in den Hintergrund treten. Folglich werden junge Menschen nur selten als aktive Partner:innen in Friedensverhandlungen einbezogen und in Friedensabkommen oft nur am Rande erwähnt, wenn überhaupt. Untersuchungen zeigen, dass Jugendliche nur in 12% der zwischen 1990 und 2022 geschlossenen Friedensabkommen erwähnt werden, wobei seit 20107 ein steigender Trend zu beobachten ist.

Ozcelik & Shaw (2023)

In den letzten Jahren hat die Diskussion über die Bedeutung von Inklusion in Friedensprozessen zugenommen, indem verschiedenen Teilen der Gesellschaft mehr Möglichkeiten zur direkten oder indirekten Teilnahme geboten werden. Die Forschung unterstützt diesen Trend und zeigt, wie eine breitere Beteiligung die Nachhaltigkeit und den Erfolg von Friedensbemühungen verbessert.8 Es gibt zwar nur wenige Forschung zu der spezifischen Art, der Auswirkung und der Ergebnisse der Einbeziehung von Jugendlichen in Friedensprozesse, aber Ozcelik & Shaw (2023) haben einen bemerkenswerten Beitrag zu diesem Thema geleistet. Ihre Studie zeigt, dass die Einbeziehung von Jugendlichen in Verhandlungsprozesse positiv mit dem Erreichen von Ergebnissen, die die Perspektive der Jugendlichen stärker berücksichtigen, korreliert. Sie stellen fest, dass eine solche Einbeziehung zu Vereinbarungen führt, die die Anliegen der Jugendlichen auf mehreren Ebenen berücksichtigen, anstatt sich nur auf ein einziges Thema zu konzentrieren.

Ein positives Beispiel für wirksame Inklusion ist die Jugend im Jemen und ihre zentrale Rolle bei der Nationalen Dialogkonferenz (NDC) im Jahr 2011 nach Protesten an der Basis. Es wurde eine Jugendquote von 20 % festgelegt, was dazu führte, dass vierzig unabhängige, politisch nicht gebundene Jugendliche als Delegierte ausgewählt wurden. Diese Jugendvertreter:innen stimmten oft als Block ab, verbündeten sich mit Frauen- und anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen und beeinflussten wichtige Entscheidungen. Trotz der Herausforderungen, wie dem Vorwurf der Vereinnahmung, setzte ihre Beteiligung neue Massstäbe für die politische Einbeziehung von Jugendlichen. Jugendvertreter:innen leiteten fachliche Arbeitsgruppen, setzten sich für Beschäftigungs- und Bildungsreformen ein und sprachen heikle Themen an, wodurch sie die politische Landschaft des Jemens maßgeblich beeinflussten und den Wert der Beteiligung von Jugendlichen an Friedensprozessen demonstrierten (The Missing Peace Progress Study, A/72/761, S/2018/86).

Bei der Analyse der Verweise auf Jugendliche in Friedensabkommen fallen zwei wichtige Aspekte auf: Erstens sind einige Erwähnungen rein rhetorisch und symbolisch, wobei die Jugend oft mit anderen Kategorien wie Frauen, älteren Menschen, Kindern oder Menschen mit Behinderungen in einen Topf geworfen wird und eine inhaltliche Ausrichtung fehlt. Zweitens wird die Jugend häufig im Zusammenhang mit Themen wie «Gewalt und Sicherheit» oder «Arbeitslosigkeit» sowie mit verschiedenen Aspekten der Friedensförderung erwähnt.9 Expert:innen betonen, wie wichtig es ist, «Jugendbelange» nicht auf bestimmte Themen zu beschränken, sondern ihre möglichen Wirkungsbereiche zu erweitern.10 Darüber hinaus setzen sich Jugendgruppen dafür ein, dass ihre zentrale Rolle auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen und in verschiedenen demografischen Gruppen anerkannt wird.11

Vor diesem Hintergrund bleibt es notwendig, die Rolle der Jugend in Friedensprozessen zu überdenken und verschiedene Formen der Beteiligung zu fördern. Die folgenden Empfehlungen können als Ansatzpunkte zur Stärkung der Rolle von Jugendlichen in Friedensprozessen dienen, die durch weitere Überlegungen und Empfehlungen in diesem Magazin ergänzt werden:

  • Jugend umfassend in Friedensprozesse einbinden: Beteiligen Sie junge Menschen an einem breiten Spektrum relevanter Themen in Friedensprozessen, nicht nur an denen, die sie direkt betreffen.
  • Förderung einer positiven Wahrnehmung von Jugendlichen: Überwinden Sie das vorherrschende Bild von Jugendlichen als Unruhestifter:innen. Repräsentieren Sie Jugendliche auf vielfältige und konstruktive Weise und betonen Sie ihre Rolle als Friedensschaffende.
  • Inklusive und partizipative Räume schaffen: Schaffen Sie inklusive und partizipative Räume für Jugendliche in Friedensprozessen. Beziehen Sie Jugendlichen von Anfang an in die Gestaltung und Umsetzung dieser Prozesse ein und berücksichtigen Sie dabei ihre Erfahrungen, Anliegen und Verletzlichkeiten in Kontextanalysen.
  • Durchführung gezielter Forschung zur Inklusion von Jugendlichen: Gezielte Forschung zur Einbeziehung von Jugendlichen in Friedensprozesse, um das Verständnis für die Komponenten zu verbessern, die die Ergebnisse und die Wirksamkeit von Friedensbestrebungen beeinflussen.

[1] Die UNO definiert den Begriff «Jugend» als Personen im Alter von 18-29 Jahren. Bitte beachten Sie, dass es mehrere Varianten der Definition des Begriffs gibt, die auf nationaler und internationaler Ebene existieren (S/RES/2250 (2015)).

[2] Hagerty, T. (2018). Data for Youth, Peace and Security: A summary of research findings from the Institute for Economics & Peace. Sydney: Institute for Economics & Peace; UN-Sicherheitsrat, Resolution 2250 (2015). S/RES/2250 (2015): http://unscr.com/en/resolutions/doc/2250.

[3] Studie «The Missing Peace Progress», §8, A/72/761, S/2018/86.

[4] UN-Sicherheitsrat, Resolution 2250 (2015). S/RES/2250 (2015): http://unscr.com/en/resolutions/doc/2250.

[5] UN Security Council, Resolution 2419 (2018). S/RES/2419 (2018): http://unscr.com/en/resolutions/doc/2419.

[6] So zum Beispiel das Abkommen von Dayton im Jahr 1995, das Abkommen von Taif, das den libanesischen Bürgerkrieg 1989 beendete, oder das umfassende Friedensabkommen mit dem Sudan im Jahr 2005.

[7] Ozcelik, A. & Shawq, D. (2023). References to Youth in Peace Agreements, 1990-2022, University of Glasgow. Der Datensatz (YPAD) umfasst 208 Friedensabkommen, die im Zeitraum von 1990 bis 2022 geschlossen wurden und einen ausdrücklichen textlichen Bezug zu Jugendlichen, jungen Menschen und Ähnlichem aufweisen. Für weitere Informationen über den Datensatz siehe Ozcelik & Shaw (2023) (https://doi.org/10.7910/DVN/TZZOEX). 

[8] Siehe zum Beispiel Paffenholz, T. (2014). Broadening Participation in Political Negotiations and Implementation. Centre for Humanitarian Dialogue; Nilssons statistische Analyse der zwischen 1989 und 2004 geschlossenen Friedensabkommen aus dem Jahr 2012 ergab, dass die Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Akteure das Risiko eines Scheiterns des Friedensabkommens um 64 % reduzierte; siehe Nilsson, D. (2012) Anchoring the Peace: Civil Society Actors in Peace Accords and Durable Peace. International Interactions 38(2), 243-266.

[9] Ozcelik & Shaw (2023), 14.

[10] Studie: The Missing Peace Progress, §8, A/72/761, S/2018/86.

[11] Mitteilung einer Gruppe von Jugendlichen der Syrian Civil Society Support im Rahmen der 6. EU-Konferenz in Brüssel über die Zukunft Syriens und der Region https://cssrweb.org/en/round/side-events-brussels-3/.

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