Interview – Auf die Zerstreuung des Medieninteresses reagieren

Ein Journalist von Radio Ndekeluka berichtet 2023 aus Bangui, der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik. Gwenn Dubourthoumieu / Fondation Hirondelle
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Nicolas Boissez, Geschäftsführer von Fondation Hirondelle, spricht über die Erfahrungen, welche die Organisation in den letzten 30 Jahren in Konfliktgebieten gesammelt hat – auch in Kontexten, die von manchen als «vergessene Konflikte» bezeichnet werden. In diesem Interview diskutieren wir die Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung, die Finanzierung und das Gleichgewicht der Stiftung, die Notwendigkeit der Weiterführung des Betriebs und die Bedeutung der Lobbyarbeit. Es verdeutlicht die ständigen Herausforderungen, mit denen die Stiftung konfrontiert ist, und unterstreicht, wie wichtig es ist, den Zugang zu Informationen zu gewährleisten, selbst wenn die Aufmerksamkeit der Medien ausbleibt.

In welchen Kontexten arbeitet Fondation Hirondelle, und würden Sie einige davon als vergessene Konflikte bezeichnen?
Fondation Hirondelle ist derzeit in elf Krisen- oder Langzeitkonfliktgebieten tätig, darunter in der Sahelzone (Mali, Niger, Burkina Faso), Zentralafrika (Demokratische Republik Kongo, Zentralafrikanische Republik), der Ukraine und in Myanmar. Diese Gebiete – insbesondere die Sahelzone, die Zentralafrikanische Republik und Myanmar – verschwinden oft aus den internationalen Schlagzeilen, vor allem angesichts der anhaltenden Krisen im Nahen Osten und in der Ukraine. Ich bin jedoch vorsichtig mit dem Begriff «vergessener Konflikt». Vor Ort gibt es zahlreiche humanitäre und Entwicklungsorganisationen, internationale Missionen und Journalist:innen – sofern sie nicht von den örtlichen Behörden ausgewiesen werden. Die Zentralafrikanische Republik beispielsweise bekommt zwar nur wenig Aufmerksamkeit in den Medien, erhält aber dennoch umfangreiche Entwicklungshilfe, etwa von der Europäischen Union, und ist Standort einer UN-Friedensmission. Auch wenn diese Konflikte in der Weltöffentlichkeit und bei westlichen Politiker:innen in Vergessenheit geraten sind, werden sie von lokalen und internationalen Akteur:innen nicht ausgeblendet.

Beeinflussen diese Schwankungen in der Medienaufmerksamkeit die internationale finanzielle Förderung?
Ja, Fondation Hirondelle hat seit ihrer Gründung beobachtet, dass sich die Mittel tendenziell in Richtung neuer oder sich verschärfender Krisen verlagern. In jüngster Zeit haben der Krieg in der Ukraine oder die Situation im Nahen Osten zu einer Umverteilung der Mittel in diese Regionen geführt, manchmal auf Kosten von Kontexten wie der Sahelzone oder Myanmar. In einigen Fällen mussten wir erhebliche Kürzungen der finanziellen Mittel hinnehmen. In der Zentralafrikanischen Republik zum Beispiel gab es Zeiten, in denen nur sehr wenige Geldgeber:innen unser lokales Medienunternehmen, Radio Ndeke Luka, den meistgehörten Radiosender des Landes, unterstützten. Die Stiftung musste ihre eigenen Mittel einsetzen, um den Betrieb aufrechtzuerhalten, was unsere finanzielle Stabilität schwächte.

Wie reagieren Sie auf diese schwankende Unterstützung?
Wir bemühen uns, mit diesen Schwankungen verantwortungsvoll umzugehen. Wenn die Mittel aufgestockt werden, weiten wir vorsichtig unsere Aktivitäten aus, die mit unserer Kernaufgabe, der Informationsvermittlung, zusammenhängen, wie etwa die Bekämpfung von Fehlinformationen oder die Förderung der Medienkompetenz. Umgekehrt kürzen wir bei einem Rückgang der Mittel unsere Ausgaben, behalten aber ein wichtiges «Kernprogramm» bei, um sicherzustellen, dass die Bevölkerung weiterhin Informationen erhält. In Niger zum Beispiel mussten wir nach dem Rückzug mehrerer internationaler Geldgeber:innen im Jahr 2024 unser Projekt Studio Kalangou umstrukturieren, wobei wir den Schwerpunkt beibehielten: die Produktion von Journalismus in den fünf meistgesprochenen Landessprachen.

Welche Ansätze nutzt Fondation Hirondelle, um auf diese Konflikte aufmerksam zu machen?
Wir verlassen uns auf unser Fachwissen und unsere journalistische Arbeit. Unser Ziel ist es, den Stimmen vor Ort durch Stellungnahmen und lokale Produktionen Gehör zu verschaffen. Wir arbeiten auch mit internationalen Netzwerken wie dem Global Forum for Media Development (GFMD) zusammen, um die Wirkung unserer Lobbyarbeit zu verstärken. Wir sind uns bewusst, dass die Aufmerksamkeit von Entscheidungsträger:innen begrenzt ist. Deshalb wenden wir uns an wichtige Gesprächspartner:innen wie Vertreter:innen der Schweizerischen Internationalen Zusammenarbeit, der Europäischen Union oder von UN-Organisationen und versorgen sie mit Daten und Analysen aus der Praxis. Kürzlich besuchte der EU-Sonderbeauftragte für die Sahelzone unser Projekt in Mali, und wir tragen weiterhin mit konkreten Einblicken zu seinen Überlegungen bei. Diese Anstrengungen tragen dazu bei, die Relevanz von Zugang zu Informationen in den internationalen Prioritäten zu verankern, auch wenn sich die Aufmerksamkeit der Medien auf andere Bereiche verlagert.

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