
Im Gespräch schildert Dr. Entisar Abdelsadig, Mitglied von «Feminists Connecting for Peace» – dem globalen Netzwerk von Friedensstifterinnen von PeaceWoman Across the Globe – und Senior Advisor für den Sudan bei Search for Common Ground, wie Frauen im «vergessenen» bewaffneten Konflikt im Sudan den Frieden von Grund auf aufbauen.
Der bewaffnete Konflikt hat zu einer beispiellosen humanitären Katastrophe geführt. Seit dem Ausbruch des Konflikts zwischen den sudanesischen Streitkräften und den «Rapid Support Forces» im April 2023 wurden zehntausende Menschen getötet und Millionen in die Flucht getrieben. Trotz dieses Ausmasses an Leid wurde der Konflikt von der internationalen Gemeinschaft weitgehend ignoriert.
Entisar Abdelsadig bringt diese Frustration auf den Punkt: «Im Sudan herrscht allgemein das Gefühl, dass der Konflikt von der internationalen Gemeinschaft vergessen wurde. Das zeigt sich in Details – wie der begrenzten Anzahl von Notvisa, die europäische Staaten an Sudanes:innen ausstellen, besonders im Vergleich zu denen für Ukrainer:innen. Bis zu einem gewissen Grad ist das verständlich; der Krieg in der Ukraine erscheint den europäischen Staaten als eine unmittelbarere Bedrohung und damit als relevanter.»
Der Konflikt wird stark vereinfacht
Ein weiterer Grund für die Vernachlässigung ist laut Entisar, dass der Konflikt oft zu vereinfacht dargestellt wird: «Die Leute sehen einfach einen Machtkampf zwischen zwei Generälen. Aber das ist nur ein Bruchteil der Realität. Der Krieg hat tiefe Wurzeln in der komplexen Geschichte des Sudan, in ungelösten Konflikten und strukturellen Spaltungen. Auslöser der Gewalt war zwar die Rivalität zwischen den sudanesischen Streitkräften und den paramilitärischen «Rapid Support Forces», doch nun haben sich auch lokale bewaffnete Gruppen eingemischt, was die ohnehin prekäre Lage weiter verschärft.»
Sie glaubt, dass mehr internationale Aufmerksamkeit einen wesentlichen Unterschied machen könnte: «Wenn der öffentliche Druck auf alle Konfliktparteien zunähme, würden sie von regionalen und internationalen Akteur:innen für ihr Handeln verurteilt werden. Dies könnte zu einem Rückgang der Gewalt führen, da die Verantwortlichen wüssten, dass sie vor dem Internationalen Strafgerichtshof zur Rechenschaft gezogen werden könnten.»
Friedensförderung im Schatten des Krieges
Während sich die Aufmerksamkeit der Welt auf andere Orte richtet, bleibt die von Frauen geleitete Friedensarbeit noch unsichtbarer als der Krieg selbst. Ein Beispiel dafür ist das Badya Centre, eine Partnerorganisation von PeaceWomen Across the Globe. Die NGO schult und berät Friedensstifterinnen in Dilling, Süd-Kordofan. Obwohl die Stadt auf allen drei Hauptstrassen belagert wird, handeln die Frauen weiterhin lokale Waffenstillstände aus, damit sie Feuerholz sammeln und ihre Höfe bewirtschaften können. Sie schaffen Friedensmärkte, die den Handel ermöglichen und gleichzeitig das fragile, aber lebenswichtige Vertrauen zwischen den verschiedenen bewaffneten Akteur:innen fördern.
«Das sind die Menschen, die sich jeden Tag für den Frieden einsetzen», sagt Entisar. Die weltweite Solidarität stärkt die Widerstandskraft der sudanesischen Bevölkerung, auch auf lokaler Ebene. «Die Menschen im Sudan leben in einem Albtraum. Es wird oft unterschätzt, wie wichtig es ist, zu wissen, dass wir immer noch Teil der Erde, der Menschheit sind. Globale Aufmerksamkeit und Unterstützung für den Sudan und seine friedliche Zukunft würden eine starke Botschaft aussenden: Ihr seid nicht allein.»