Fehlleitung und Missbrauch von Mitteln für die Friedensförderung wirksam verhindern

Wandgemälde in Maputo, Mosambik 2016. Wikimedia Commons
CDA Collaborative
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Ziel 16 «Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen» der UNO-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) soll friedliche und inklusive Gesellschaften fördern, allen Menschen Zugang zur Justiz ermöglichen und leistungsfähige, rechenschaftspflichtige und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufbauen. Zurzeit gibt es auf der Welt 110 bewaffnete Konflikte. Ein hohes Ausmass an Waffengewalt und Unsicherheit wirkt sich negativ auf die Entwicklung und die Friedenschancen eines Landes aus.

Verglichen mit dem Bedarf ist die Friedensförderungsarbeit seit jeher unterfinanziert. Die Mittel stammen vorwiegend von (internationalen) Geber:innen, die einzelne Organisationen und Projekte mit wichtigen Ressourcen ausstatten. Hinlänglich bekannt sind die damit verbundenen Probleme wie Zersplitterung, kurze Finanzierungszeiträume, begrenzte lokale Eigenverantwortung und Priorisierung von Geberinteressen. Dennoch müssen sich Expert:innen, Politiker:innen und Praktiker:innen damit arrangieren, dass die Friedensförderung in diesen von Ressourcenknappheit geprägten postpandemischen Zeiten mit noch weniger Finanzmitteln auskommen muss. Friedensförderung ist vor allem eine nationale Aufgabe und Verantwortung. Im Idealfall schafft die Zivilbevölkerung, unterstützt durch ihre Regierung, selbst die Grundlagen für dauerhaften Frieden. Was aber, wenn Regierungsmitglieder hohe Summen aus dem Staatshaushalt abzweigen, sich und ihre Mitarbeitenden durch Kleptokratie bereichern oder sogar länderübergreifende Kriminalität finanzieren? Zum einen reichen die vorhandenen Mittel oft nicht aus, um Grunddienste wie Bildung und Gesundheit zu gewährleisten, Arbeitsplätze und Existenzmöglichkeiten zu schaffen, für Ernährungssicherheit zu sorgen und die Menschenrechte einzuhalten. So entsteht ein Nährboden für Konflikte. Zum anderen wird ein solcher Machtmissbrauch vor allem in Staaten mit Konfliktkontexten begünstigt und verankert – und zwar unabhängig davon, ob es sich um Spannungen zwischen Gruppen, politische Gewalt oder bewaffnete Konflikte handelt.

Ein Paradebeispiel dafür, wie Finanzkorruption ein Land noch tiefer in Armut und Fragilität stürzen kann, ist der Mosambik-Skandal. In diesen Skandal um verdeckte Schulden sind der frühere mosambikanische Finanzminister Manuel Chang, europäische Banker, Geschäftsleute aus dem Nahen Osten sowie weitere hochrangige mosambikanische Politiker:innen und Beamt:innen verwickelt. Sie haben einen Kredit über zwei Milliarden US-Dollar zugunsten Mosambiks eingefädelt – das sind sage und schreibe zwölf Prozent des BIP eines der ärmsten Länder der Welt. Die Transaktion wurde geheim gehalten. Ausser Bestechungsgeldern ist nichts von dem Kredit je nach Mosambik geflossen. Nicht ein Cent kam der mosambikanischen Bevölkerung in Form von Dienstleistungen oder Produkten zugute. Diese gigantische Korruptionsaffäre und ihre Folgen haben Mosambik bereits elf Milliarden US-Dollar gekostet – fast so viel wie das mosambikanische BIP im Jahr 2016 – und nahezu zwei Millionen Menschen sind in Armut geraten. Falls das Land den Kredit zurückzahlen muss, werden weitere vier Milliarden US-Dollar fällig, von weiteren Schäden ganz zu schweigen.

Politische Konflikte, eine Kultur der Straflosigkeit, Fiskal- und Wirtschaftskrisen, Staatsschulden und Korruption hatten dem Kreditskandal den Weg geebnet. Auch künftig ist mit schwerwiegenden Folgen wie einer geschwächten Gouvernanz, degenerierten Institutionen, weniger Demokratie, mehr politischen Konflikten und dem Abzug öffentlicher Investitionen zu rechnen, wodurch sich die Armut noch verschlimmern wird. Mit anderen Worten: Korruption im Allgemeinen und Finanzkorruption im Besonderen erhöhen die Konfliktanfälligkeit und verringern die Aussichten auf Frieden.

Sensibilisierung für Antikorruptionsmassnahmen und Handlungsbedarf:

In einer aktuellen Online-Konversation diskutieren Fachleute für Korruptionsbekämpfung über den 20. Jahrestag des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Korruption (UNCAC). Ihnen zufolge habe die diesjährige Zusammenkunft unter anderem gezeigt, dass sich immer mehr Untersuchungen mit der Frage beschäftigen, warum die jüngsten Antikorruptionsreformen in vielen Ländern gescheitert sind. Erörtert werden verschiedene Faktoren, wie die Staatsform, der politische Wille sowie der historische Kontext. Der Antikorruptionsexperte Alexey Konov spricht von «inattention to reality» (Unachtsamkeit gegenüber der Realität) als übergeordnete Diagnose. Weitere Fachleute, die diesen Ausdruck als eindrücklich und treffend bezeichnen, betonen, dass die Anstrengungen zur Korruptionsbekämpfung konkreter werden müssten. Unter der Leitung von Mushtaq Khan und Pallavi Roy untersucht das Forschungskonsortium ACE der SOAS University of London die ernsthafte Auseinandersetzung mit der Realität und die kontextbezogenen Verhältnisse von Macht, Interessen und potenziellen Ansatzpunkten für ein wirksames Handeln. Ihre Herangehensweise plädiert für die erfolgreiche Umsetzung praktischer Antikorruptionsmassnahmen auf den geeigneten Ebenen durch die, mit und von der Zivilbevölkerung, mit partnerschaftlicher Unterstützung seitens der Regierung und anderer staatlicher Organisationen.

Eindämmung von Finanzkorruption und illegalen Finanzströmen:

Vor diesem Hintergrund braucht es nun eine sachliche Analyse, wie sich Finanzkorruption und illegale Finanzströme (IFF) auf die Friedensförderung auswirken, und einen pragmatischen Ansatz, um IFF einzudämmen. Dies gilt insbesondere, wenn sie durch korrupte Regierungen verursacht werden, die trotz aller Beteuerungen wenig an der Beseitigung der Missstände interessiert sind.

Finanzkorruption – hier definiert als Undurchsichtigkeit im globalen Finanzsystem sowie Handlungen, die eine solche Undurchsichtigkeit ermöglichen – ist häufig ein wesentlicher Konfliktfaktor. Das SDG-Unterziel 16.4 stellt die Verknüpfung zwischen Frieden und illegalen Finanzströmen her, indem es eine deutliche Verringerung illegaler Finanzströme, eine verstärkte Wiedererlangung und Rückgabe gestohlener Vermögenswerte und die Bekämpfung aller Formen der organisierten Kriminalität fordert. 

Die Arbeit und Finanzierung der Friedensförderung braucht einen zweigleisigen Ansatz. Erstens müssen alle Industrieländer im Kampf gegen Finanzkorruption mitziehen. Das bedeutet unter anderem, alle Gesetzeslücken und sonstigen Schlupflöcher zu schliessen, auf deren Basis IFF entstehen und die es ermöglichen, dass korrupte Akteure aus Politik und Wirtschaft ihre Finanztransaktionen im Verborgenen fortsetzen können.  Transparency International und Global Financial Integrity bieten Anleitungen und Ressourcen für Geldgeber:innen und Personen, die in der Friedensförderung und der Entwicklung tätig sind, damit sie bei der Vorbereitung und Umsetzung ihrer Projekte zur Schliessung dieser Lücken beitragen können. Zweitens müssen in den betroffenen Ländern Reformen zur Eindämmung von Finanzkorruption durchgeführt werden – was allerdings ein fundiertes Kontextwissen über Macht, Interessen und die potenziellen Ansatzpunkte erfordert. Hierbei können Organisationen wie CMI U4 mit Forschungsarbeit und praktischen Leitfäden auf allen Gesellschaftsebenen weiterhelfen. Reformen im Zusammenhang mit Rechnungsprüfungen und Finanzkontrollen, Haushaltsplanung, Einbeziehung der Privatwirtschaft, öffentlichen Dienstleistungen sowie Steuer- und Abgabenerhebung und schliesslich die Sicherstellung, dass der Abbau von natürlichen Ressourcen der Bevölkerung zugutekommt, sind nur einige Beispiele dafür, wie man illegale Finanzströme verhindern und «als Nebeneffekt» Korruption verringern kann.

Herausforderungen und weiteres Vorgehen

Eine Unterbrechung von IFF wird bei den Nutzniessern von Finanzkorruption unweigerlich auf Widerstand stossen. Die Grundsätze der Lokalisierung, der Konfliktsensitivität sowie die praktische Umsetzung des Ansatzes des politischen Denkens und Arbeitens (thinking and working politically, TWP) tragen zur «Achtsamkeit gegenüber der Realität» bei.

Angesichts der Zunahme von Spannungen zwischen Gruppen, politischer Gewalt und bewaffneter Konflikte sind friedensfördernde Lösungen unerlässlich. Es braucht viele Akteure, die an verschiedenen Konflikt- und Friedensdimensionen arbeiten, wie Institutionsaufbau, Infrastrukturen, humanitäre Hilfe, Landnutzung und Gouvernanz, um nur ein paar zu nennen. Und es braucht Ressourcen, um die Friedensförderung zu finanzieren, doch Finanzkorruption und die damit verbundene fehlende Transparenz entziehen den betroffenen Staaten, einschliesslich Industrieländern, die für eine transformative Friedensförderung notwendigen Finanzmittel.

Evidenzbasiertes Lernen kann uns auf dem Weg zur Erreichung von SDG 16 voranbringen. Inwiefern Finanzkorruption Konflikte schürt, wurde noch nicht ausreichend erforscht. Ausserdem fehlen systematische Auswertungen positiver Beispiele, wie Friedensförderung hier gegensteuern kann. Gleichwohl können wir durch unseren Fokus auf Konfliktsensitivität und Lokalisierung Antikorruptionsreformen unterstützen und begünstigen, die dafür sorgen, dass Friedensförderungsgelder dort ankommen, wo sie am dringendsten benötigt werden.

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