Diversifizierung von Finanzierungsmodalitäten zur Stärkung der Zivilgesellschaft 

Gemeinschaftstreffen zur Sicherheitspolitik in Natal, organisiert vom Forum der Zivilgesellschaft zur öffentlichen Sicherheit im Nordosten Brasiliens, Juni 2023. terre des hommes schweiz
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Im Mittelpunkt des Programms von terre des hommes schweiz (tdhs) steht die Ermächtigung junger Menschen als Akteur:innen des Wandels. Zu diesem Zweck unterstützt terre des hommes schweiz Partnerorganisationen und Jugendinitiativen mit dem Ziel, eine Kultur des Friedens in Ländern wie Brasilien, Kolumbien und El Salvador zu fördern. In diesen durch den schrumpfenden Raum für die Zivilgesellschaft sowie zunehmende Polarisierung geprägten Kontexten kommt der Förderung des sozialen Zusammenhalts mit einem besonderen Augenmerk auf die Jugend eine grosse Bedeutung zu. Diese politischen Entwicklungen bringen jedoch zusätzliche Risiken für die Umsetzung von Projekten mit sich, etwa durch öffentliche Drohungen und Versuche, Menschenrechtsorganisationen zu kriminalisieren und zu delegitimieren. Angesichts dieser Herausforderungen will terre des hommes schweiz ihre Finanzierungsstrategie und -modalitäten erneuern.

In einem ersten Schritt wurden Notfallfonds eingerichtet, um besser auf unbeständige und fragile Situationen reagieren zu können. Dank dieser Fonds kann die Organisation flexibel auf die zunehmenden Sicherheitsrisiken reagieren und einen finanziellen Beitrag zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger:innen leisten. Die Mittel können auch Partnerorganisationen für deren Unterstützungsmassnahmen im psychosozialen oder rechtlichen Bereich zugunsten ihrer Mitglieder zugeteilt werden. In vergangenen Jahren hat sich gezeigt, dass zusätzliche, unbeschränkte Fonds für den Resilienzaufbau der Zivilgesellschaft in Zeiten grosser Herausforderungen unverzichtbar sind. 

Eine weitere Erkenntnis war, dass zivilgesellschaftliche Netzwerke wichtige Räume für die gemeinsame Analyse, Strategiefindung und Interessensvertretung in zunehmend von Autoritarismus und Gewalt betroffenen Ländern sind. Darum plant terre des hommes schweiz, solchen Netzwerken zusätzliche Geldmittel zuzuweisen – insbesondere denjenigen, die strategisch in die Bekämpfung antidemokratischer Tendenzen involviert sind.

Mit offenen, flexiblen Zuschussvergabestrategien will terre des hommes schweiz Initiativen ohne Zugang zu formellen Finanzierungsplänen unterstützen. Diese Fördergelder dienen als Testgebiet für junge Aktivist:innen: So können sie mit unkonventionellen Lösungen experimentieren und zur Stärkung des Jugendaktivismus auf Basis-Ebene beitragen. Der Ansatz regt zudem das Entstehen neuer zivilgesellschaftlicher Akteur:innen an. Die Stärkung bedrohter lokaler Organisationen ermöglicht mehr Basisfinanzierung sowie weniger Einschränkungen in Bezug auf die sogenannten «Gemeinkosten» (indirekte, für das Funktionieren einer Organisation nötige Ausgaben, wie etwa administrative und betriebliche Kosten) in Projektbudgets. 

Ein weiteres Beispiel für die flexible Basisfinanzierung ist die Unterstützung eines zivilgesellschaftlichen Forums zur öffentlichen Sicherheit im Nordosten Brasiliens, mit dem Ziel, die Interessensvertretung durch NGOs im Bereich Sicherheitspolitik in neun Bundesstaaten zu koordinieren. Dank der befristeten finanziellen Unterstützung seitens terre des hommes schweiz konnte dieses Netzwerk die Kosten für die Organisation von Konferenzen zur Ausarbeitung von Vorschlägen für die öffentliche Politik decken.

terre des hommes schweiz sieht das Überdenken und Diversifizieren von Finanzierungsmodalitäten als zentralen Schritt hin zu fairen Partnerschaften im Sinne einer «dekolonisierten Hilfe». In Anbetracht des fragilen Zustands der Demokratie sowie des zunehmenden Drucks auf die Zivilgesellschaft weltweit hat terre des hommes schweiz begonnen, Modalitäten für die partizipative Zuschussvergabe zu prüfen. Die partizipative Zuschussvergabe ist ein Förderansatz, bei dem auch die Gemeinschaften oder die finanzierten Organisationen über Entscheidungskompetenz verfügen. Damit sind sie am gesamten Prozess der Finanzmittelzuteilung beteiligt: von der Bedarfsermittlung bis hin zur Auswahl der zu fördernden Projekte oder Initiativen. Das Ziel ist, die Machtdynamik im herkömmlichen Zuschussvergabeprozess zu verlagern und gerechtere Partnerschaften zu fördern.

Es handelt sich um einen bedeutenden Reflexionsprozess im Entwicklungssektor, in welchem ein Bedarf an gemeinsamem Lernen, Erfahrungsaustausch sowie strategischen Debatten mit Geldgeber:innen und Stiftungen im Hintergrund besteht. 

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