
Der aktuelle Angriff Russlands auf die Ukraine mit Beginn am 24. Februar 2022 machte den jahrelangen gemeinsamen Einsatz von zivilgesellschaftlichen Organisationen (ZGOs) für Frauenrechte und des Sicherheitssektors mit dem Ziel der Umsetzung und lokalen Anpassung der Agenda für Frauen, Frieden und Sicherheit (WPS-Agenda) zunichte. Über die Jahre und auch während des aktuellen Krieges haben ZGOs und die ukrainische Regierung immer wieder festgestellt, dass die Stärkung der Konsultationsverfahren zwischen Akteur:innen des Sicherheitssektors und den Gemeinschaften von grösster Wichtigkeit ist. Kateryna Levchenko, Beauftragte der ukrainischen Regierung für Genderpolitik, hat den Zusammenhang deutlich benannt: «Die Zusammenarbeit zwischen Regierungen und zivilgesellschaftlichen Organisationen bei der Gewährleistung der Menschenrechte, der Geschlechtergleichstellung und in anderen wichtigen Bereichen ist der Schlüssel für eine wirksame Umsetzung der öffentlichen Politik.»
Als Schritt hin zu einer besseren Systematisierung der Konsultation zwischen dem Sicherheitssektor, den konfliktbetroffenen Gemeinschaften und der Zivilgesellschaft führte DCAF im zweiten Halbjahr 2022 gemeinsam mit ukrainischen Expert:innen sowie UN Women Ukraine eine Mapping-Studie durch, die diesen Herbst in ihrer Gesamtheit veröffentlicht wird. Die Mapping-Studie zeigte unzählige Hindernisse für den Aufbau und die Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen ZGOs für Frauenrechte und dem Sicherheitssektor auf. Seit Kriegsbeginn hat sich eine grosse Veränderung als übergeordnete Herausforderung entpuppt: Obwohl viele ZGOs insgesamt offener für eine Zusammenarbeit mit ihrem Gegenüber im Sicherheitssektor sind, liegt der Fokus dieser Zusammenarbeit nicht mehr bei der Geschlechtergleichstellung und der Umsetzung der WPS, sondern im humanitären Bereich. Im Folgenden einige Erkenntnisse aus der Studie:
- Von zentraler Bedeutung ist ein anhaltendes Augenmerk auf die Umsetzung des Nationalen WPS-Aktionsplans: Das Aufrechthalten der Dynamik im Hinblick auf die Umsetzung der WPS-Agenda auch in humanitären Krisen kann die Geschlechtergleichstellung und die sinnvolle Partizipation von Frauen in der Friedensförderung unterstützen und voranbringen.
- Eine institutionalisierte Zusammenarbeit kann eine solide Grundlage bieten: Der Sicherheitssektor und ZGOs sollten ihre Zusammenarbeit durch die Unterzeichnung von Memoranden, die unter anderem Bestimmungen zu gemeinsamen Planungs- und Sensibilisierungsaktivitäten enthalten, institutionalisieren.
- Es braucht einen massgeschneiderten Kapazitätsaufbau: Praktisches, Fähigkeiten-basiertes Training ist sowohl für ZGOs als auch für Akteur:innen des Sicherheitssektors zentral, um das Thema Gender und WPS bei der Arbeit umzusetzen.
- Verbündete und Führungskräfte sind ausschlaggebend: Verbündete unter Führungskräften und Männern sind für Fortschritte bei der Geschlechtergleichstellung unerlässlich.
- Sensibilisierung ist ein wichtiger Bestandteil: Eine Sensibilisierung des Sicherheitssektors und der Öffentlichkeit für die WPS-Agenda und die Möglichkeiten von Frauen verbessert die Zusammenarbeit.
- Finanzmittel machen es möglich: Angemessene und flexibel einsetzbare Finanzmittel unterstützen den Kapazitätsaufbau von ZGOs und die aktive Partizipation in der WPS-Agenda.
Schlussendlich sind die Umsetzung der WPS-Agenda und das Voranbringen der Geschlechtergleichstellung während eines Konflikts weiterhin zentral und dürfen nicht für «dringendere Probleme» geopfert werden. Die Mapping-Studie von DCAF und UN Women Ukraine bietet weitere Belege dafür, dass die Fortsetzung dieser Arbeit auch in einem Konfliktzyklus essentiell wichtig ist und dass durch die Zusammenarbeit von ZGOs mit dem Sicherheitssektor konkrete, ausschlaggebende Fortschritte hinsichtlich Konfliktprävention und Resilienz erzielt werden.