Aus dem Elfenbeinturm ins Scheinwerferlicht

"Free speech" (CC BY 2.0) von Newtown grafitti, vom Original abgeschnitten (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/)
swisspeace

Die jüngsten Eskalationen der Konflikte in der Ukraine und in Israel/Palästina haben Krieg in den medialen Fokus gerückt. Mit dem zunehmenden Interesse steigt auch hier in der Schweiz der Druck, sich in den (sozialen) Medien zu positionieren – die Informationsflut überfordert selbst Expert:innen. Anfang des Jahres zeigte uns ein Vorkommnis auf, wie die zunehmende Polarisierung zu Missverständnissen, Emotionalisierung, sowie Desinformation führen kann und im schlimmsten Fall gar die Existenz von zivilgesellschaftlichen Organisationen gefährden.

Bei der Arbeit in von Konflikten betroffenen Gebieten ist es von grösster Wichtigkeit, moralische Bewertungen von Analysen zu trennen, die Narrative verschiedener (betroffener) Parteien zu hinterfragen, und im Sinne der Konfliktsensitivität stets verschiedene Perspektiven einzubeziehen. Eine besondere Herausforderung ergibt sich, wenn ebendiese Tätigkeiten plötzlich in einem ganz anderen Kontext – nämlich fernab von Kriegsschauplätzen zuhause im idyllischen Liestal – politisiert werden.

Im vergangenen Jahr war eine jährliche finanzielle Unterstützung von swisspeace durch den Kanton Basel-Landschaft vorgesehen, nachdem zuvor ein entsprechender, von mehreren Parteien unterzeichneter Vorstoss vom Landrat mit einer klaren Mehrheit an die Regierung überwiesen worden war. Während der Budgetdebatte, vollzog ein einstiger Mitinitiant jedoch eine überraschende Kehrtwende, und das Parlament folgte ihm in einer knappen Abstimmung, so dass der Beitrag abgelehnt wurde. Als Gründe für den Sinneswandel wurden Aussagen unseres Direktors genannt, die er als geladener Experte im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt in medialen Formaten getätigt hatte. Bei den Statements handelte es sich um die analytische Einschätzung eines Akademikers, der bereits seit Jahrzehnten zu Frieden und Konflikt forscht.

Beunruhigend ist, dass die Ablehnung dieser Unterstützungsvorlage einzig aufgrund dieser öffentlichen Aussagen einer Person zu einem spezifischen Konflikt erfolgte, ohne Berücksichtigung der allgemeinen Qualität der Forschung und Arbeit von swisspeace insgesamt. Im öffentlich zugänglichen Protokoll der besagten Landratssitzung wurde die weitläufige Arbeit von swisspeace in anderen Konfliktkontexten zwar positiv hervorgehoben. Trotzdem gelang eine differenzierte Auseinandersetzung offenbar nicht. Sollte Forschung nicht ein Ort für These und Antithese sein, in dem kontroverse Ideen unabhängig von persönlichen Überzeugungen analysiert und besprochen werden? Müssen sich Institutionen, die teils mit öffentlichen Geldern finanziert werden, selbst zensieren, um zu überleben?

Derzeitig werfen hoch emotionalisierte Debatten, in denen wissenschaftlich abgestützte Äusserungen politisiert und für eigene Zwecke instrumentalisiert werden, eine zynische Aufmerksamkeitsspirale des hiesigen Publikums, sowie eine ethisch fragwürdige Rezeption von medialen Inhalten viele Fragen auf.

In politisch stürmischen Zeiten sind langfristige strategische Partnerschaften von essentieller Bedeutung für zivilgesellschaftliche Akteure. Denn ohne belastbare ‚homebase‘ können diese rasch in Schieflage geraten. Für swisspeace erwiesen sich die vertrauensbasierten Beziehungen auf Bundes- und kantonaler Ebene sowie zur Universität Basel erneut als unschätzbarer Vorteil. Nichtsdestotrotz bedurfte es strategischem Geschick, zusätzlichen Ressourcen und eines persönlichen Kampfgeists, sich angesichts eines medialen Unwetters nicht in den Elfenbeinturm zurückzuziehen, sondern den Dialog zu suchen und den Diskurs auf eine sachliche, analytische Ebene zurückzuführen. Dabei sind kommunikative Instrumente unerlässlich. Nachhaltiger Frieden gelingt nur, wenn er von verschiedenen Seiten und auf diversen Ebenen unterstützt wird.

<>