Frieden wird nicht durch Kommunikation gefördert, sondern entsteht durch Dialog

Interview mit einer Bäuerin auf ihrem Feld in Guinea. Olympia de Maismont/Fondation Hirondelle
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In Konfliktsituationen ist die strategische Kommunikation oder der bewusste Einsatz der Kommunikation oft wenig wirksam. Vorverfasste und einseitig, ohne Raum für Dialog verbreitete Nachrichten verbannen die Bevölkerung in einen passiven Opferstatus. Konflikte lassen sich nur mit Zuhören, Verständnis und Dialog lösen. Professionelle, unabhängige und inklusive Medien können solche für die Konfliktbewältigung unerlässlichen Gefässe bieten, in denen ein Austausch möglich ist. In Ländern, in denen Konfliktlösungs- oder Friedenskonsolidierungsprozesse keine Fremdwörter sind, ist deshalb eine gefestigte Medienlandschaft mit einer grossen Vielfalt an überregionalen und regionalen Medien ein vorrangiges Anliegen.

Die Medienberichterstattung über die Mediationsprozesse hat den Vorteil, dass alle beteiligten Parteien transparenter in den Dialog einbezogen werden. Die Bevölkerung wird über das Fortschreiten laufender Friedensprozesse informiert und die Behörden verstehen die Bedürfnisse und Erwartungen der Bürger:innen. Überdies wird die Bevölkerung je nach Sendungsformat veranlasst, in einen offenen Dialog zu treten und gemeinsam über Möglichkeiten der Konfliktlösung nachzudenken. Die Erfahrung zeigt, dass eine solche Friedensförderung «von unten her» oft zu einem robusteren und widerstandsfähigeren Frieden führt.

Die Versammlung einer polarisierten Gesellschaft rund um ein gemeinsames Versöhnungsprojekt setzt nicht nur eine – zumindest stillschweigende – Einigung über das Ziel des Projekts, sondern auch ein Verständnis für seine Komplexität voraus. Die überregionalen und regionalen Medien sind mit den laufenden Prozessen oft bestens vertraut. Sie haben die verschiedenen Verhandlungsetappen genau verfolgt und kennen die Herausforderungen und Erwartungen der Bevölkerung ebenso wie deren Vergänglichkeit und Irrwege. Diese in den lokalen Sprachen kommunizierenden Medien ziehen meistens auch Randgebiete ein, die von internationalen Medien häufig vernachlässigt werden. Eine solche bevölkerungsnahe Verbreitung kann in gewissen Konflikten ein erheblicher Vorteil sein, vor allem wenn die unzufriedensten Stimmen in der Hauptstadt mehr Gewicht haben oder übervertreten sind. In Niger beispielsweise wurden die schärfsten Stimmen beim Staatsstreich von Juli 2023 Niamey zugeschrieben. Indem Studio Kalangou, das Medium der Stiftung Hirondelle, Randgruppen das Wort erteilte, konnte ein gewisses Gegengewicht geschaffen werden.

Für eine Versöhnung braucht es unabhängige und oft kritische Informationen

Unabhängige, hochwertige, zugängliche und auch kritische Informationen sind unabdingbar, damit die Bürger:innen die Herausforderungen verstehen und sich in den Versöhnungsprozess einbinden lassen. In gewissen Kontexten, in denen Friedensprozesse stattfinden, wird die Unabhängigkeit der Medien jedoch durch ihre (effektive oder angebliche) Nähe zu einer Konfliktpartei und ihre strukturelle und redaktionelle Schwäche untergraben. In solchen Fällen sind die Medien in den Konflikt involviert und tragen negativ zur Verbreitung von Gerüchten und Verunglimpfung der Vermittlungsanstrengungen bei. Für die Desinformation sind im Übrigen nicht nur die von den Konfliktparteien bewusst koordinierten oder top-down-beherrschten Prozesse verantwortlich. Desinformation wird auch durch Gerüchte verstärkt, insbesondere wenn sie ein Informationsvakuum ausfüllen.

Im digitalen Zeitalter ist der Kampf gegen Online-Desinformation äusserst anstrengend und zeitaufwendig geworden. Zahlreiche Medienentwicklungsorganisationen (MediaDev) verbinden «Debunking»-Initiativen (Entmystifizierung von Falschmeldungen) inzwischen mit einer Stärkung der lokalen Informationsmedien, um das Vertrauensverhältnis zwischen diesen Medien und ihrem Publikum zu fördern. Im Oktober 2023 hatte in Bangui ein Gerücht über Rebellen, die angeblich die Stadt stürmen wollten, zu einer Panikreaktion unter der zentralafrikanischen Bevölkerung und zum Tod mehrerer Personen geführt, die zu fliehen versuchten. Vergeblich riefen die Behörden wiederholt zur Ruhe auf. Radio Ndeke Luka widmete darauf seine politische Diskussionssendung «Patara» dieser Thematik. Das Zusammenbringen verschiedener Akteure rund um denselben Tisch ermöglichte die Wiederherstellung des Vertrauens in der Bevölkerung und die Rückkehr zur Ruhe.

Medien und Friedensprozesse: eine im Vorfeld aufgebaute Partnerschaft

Um eine zuverlässige und zweckdienliche Berichterstattung über Konfliktlösungsprozesse sicherzustellen, müssen Journalist:innen vorab in Mediationsfragen und Friedensprozessen ausgebildet werden und einen erleichterten Zugang zu den Informationen über die laufenden Verhandlungen erhalten. Die an den Verhandlungen beteiligten Organisationen sind in Medienbeziehungen zu schulen und müssen im Vorfeld die nationalen und regionalen professionellen Mediennetze identifizieren, die sich an die ethischen Standards halten. Die Journalism Trust Initiative (JTI) beispielsweise ist ein internationaler Mechanismus, der ethische journalistische Praktiken belohnt und den in der Mediation tätigen Akteuren bei der Erfassung der lokalen Medien, mit denen eine Zusammenarbeit empfohlen wird, helfen kann.

Die Stiftung Hirondelle unterstützt derzeit Medien in laufenden Konflikten, etwa in der Ukraine und in Myanmar, wo die Konfliktlösungsprozesse ins Stocken geraten sind. In diesen beiden Ländern setzt sie sich für den Betrieb und das Überleben unabhängiger Medien hoher Qualität sowie für die Befriedigung des Informationsbedürfnisses vertriebener Bevölkerungsgruppen und die Berichterstattung über die Herausforderungen der Rechtsprechung im Rahmen dieser Konflikte ein. Eine unabhängige Berichterstattung und die Stärkung einer pluralistischen Medienlandschaft trotz Konflikt ist unabdingbar, damit der Bevölkerung bei zukünftigen Friedensprozessen publikumsnahe, vertrauenswürdige Medien zur Verfügung stehen.

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