Friedensprozesse verstehen – Narrative müssen feministisch werden

FriedensFrauen weltweit (PWAG)
PWAG-Artikel: Was sind friedensprozesse?


Welche Bilder löst das Wort «Friedensprozess» bei Ihnen aus? Stellen Sie sich einen grossen Raum vor? Männer, die jahrelang verhandeln? Dann die Kulmination: eine Zeremonie, an der die Konfliktparteien ein Abkommen unterzeichnen und das Foto des Handschlags, das um die Welt geht? Von bombardierten Städten zu einer friedlichen Gesellschaft über einen Handschlag und Dutzende Seiten Papier: Illusion? Kriegsende bedeutet in den wenigsten Fällen Frieden. Wieso wird dies denn nach wie vor so kommuniziert?

Seit 2000 verlangt die UNO-Resolution 1325 eine stärkere Teilnahme von Frauen an Friedensprozessen, verschiedene Studien1 belegen die positiven Konsequenzen einer solchen Einflussnahme von Frauen. Tatsache ist, dass Frauen täglich an nachhaltigem Frieden arbeiten. Um diese Friedensbildung sichtbarer zu machen, muss man das Verständnis von Friedensprozessen erweitern und besser kommunizieren.
PeaceWomen Across the Globe (PWAG) hat das gängige Bild hinterfragt, dekonstruiert und die Einflussnahme von Frauen beleuchtet. Resultat dieser Arbeit ist ein graphisches Instrument (unten abgebildet), das einerseits die unterschiedlichen Stadien eines möglichen Friedensprozesses darstellt, und andererseits die diversen Rollen und die Einflussnahme der Frauen, den Friedensprozess anzutreiben oder Rückschritte zu verhindern, in den Mittelpunkt stellt. Dieses Instrument ist nicht als theoretisches Modell gedacht, das universell anwendbar ist, sondern als Fragestellung und Input für analytische Gespräche und als Anregung, die gängigen Narrative mit feministischen Visionen zu ergänzen.

Die graphische Darstellung soll die Komplexität von Friedensprozessen aufzeigen. Anhand der Grafik können so beispielsweise die Relevanz der Wiederversöhnung und Vergangenheitsarbeit im Rahmen der Prävention zukünftiger Konflikte oder die Bedeutung des Schaffens von Friedensabsichten während eines bewaffneten Konfliktes besser kommuniziert werden.

Jeder illustrierte Prozessabschnitt ermöglicht so, die Friedensarbeit mit feministischen Friedensvisionen zu verbinden. Ein Beispiel: Die Forderung unserer Partner:innen in der Ukraine, im Rahmen der Friedensbemühungen in soziale Transformation, Gesundheit, Bildung und wirtschaftliche Unabhängigkeit zu investieren.

Um die Friedensarbeit von Frauen glaubhaft miteinzubeziehen, benötigt es vermehrt feministische Narrative, die kommunikativ aufgegriffen werden. Dafür braucht es das Engagement von Zivilgesellschaft, Medienschaffenden und staatlichen Institutionen, differenzierter über Friedensprozesse zu kommunizieren. Damit das Bild des männlichen Handschlags mit dem der täglichen Konfliktprävention und -transformation, die speziell von Frauen geleistet wird, ersetzt werden kann.

[1] Als Beispiel sei erwähnt: Thania Paffenholz, Nick Ross, Steven Dixon, Anna-Lena Schluchter and Jacqui True, “Making Women Count – Not Just Counting Women: Assessing Women’s Inclusion and Influence on Peace Negotiations,” Geneva: Inclusive Peace and Transition Initiative (The Graduate Institute of International and Development Studies), UN Women, April 2016.

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