SLAPP-Klagen: Wachsende Bedrohung für NGOs und Medienschaffende

SWISSAID
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Valcambi gegen SWISSAID – Schweizer Raffinerie versucht, kritische Studie zu diskreditieren Schweizer Allianz gegen SLAPP Was ist eine SLAPP Faktenblatt zu SLAPPs in der Schweiz

Internationale Konzerne und Oligarchen klagen immer öfter gegen NGOs und Medienschaffende, um kritische Recherchen zu stoppen. SWISSAID ist seit der Veröffentlichung eines Berichts über den Goldhandel in Afrika direkt betroffen. Der Rechtsstreit verschlingt viel Zeit und Geld, aber Selbstzensur ist keine Option.

Strategische Klagen, welche die öffentliche Debatte einschränken, «SLAPP-Klagen» («Strategic Lawsuits Against Public Participation»), zielen darauf ab, die Veröffentlichung von Recherchen zu Menschenrechtsverletzungen, Korruption oder Umweltschäden zu verhindern. Oft hat schon die Androhung einer solchen Einschüchterungsklage einen Effekt, da sich NGOs oder freischaffende Journalist:innen nicht auf langwierige und teure Prozesse einlassen können. Ziel der Kläger:innen ist nicht, im Rechtssystem zu obsiegen, sondern NGOs und ihre Mitarbeiter:innen finanziell und psychisch unter Druck zu setzen und so die Publikation weiterer kritischer Studien zu verhindern.

SWISSAID wurde im Juli 2020 aufgrund einer Studie über die Goldindustrie von der Tessiner Raffinerie Valcambi angeklagt und befindet sich seit vier Jahren in einem Rechtsstreit.

Verzögerung als Ziel

Die Studie beleuchtet die Geschäftsbeziehungen verschiedener Firmen im Goldhandel. SWISSAID konnte mittels zahlreicher Belege, Zeugenaussagen und Recherchen darlegen, dass Valcambi in Dubai über die Firma Kaloti Gold bezieht. Die Geschäftspraxis von Kaloti – einer international operierenden und aus den Vereinten Arabischen Emiraten stammenden Firma – ist in der Branche höchst umstritten. So war Kaloti in Skandale mit illegalen Goldlieferungen und Geldwäscherei verwickelt und wurde deswegen vom Standard «des bonnes pratiques» in Dubai ausgeschlossen. Die Studie zeigte zudem, dass Kaloti auch nach diesen Skandalen problematisches Gold bezog, mutmasslich Konfliktgold aus dem Sudan.

Der Termin für die Hauptverhandlung wurde im September 2023 extrem kurzfristig vom Richter abgesetzt: Die Klägerin hatte kurz vor dem Termin eine Eingabe an das Gericht nicht korrekt eingereicht. Sechs Monate später steht noch kein neues Verhandlungsdatum fest. Das Verfahren verzögert sich weiterhin. Eine typische Taktik der klagenden Parteien, weil damit – zum Nachteil der finanziell schwächeren Partei – die Verfahrenskosten in die Höhe getrieben werden.

Recht auf Information

In der Schweiz sind zahlreiche NGOs von SLAPP-Klagen betroffen: Public Eye und TRIAL International konnten im Februar einen Etappensieg verbuchen: Das Regionalgericht Bern-Mittelland wies eine Strafklage des Zuger Rohstoffhändlers Kolmar ab . Es ist jedoch nur eine von vielen Klagen, resp. Klagedrohungen, die mit Berufung und Zivilklage zudem noch lange nicht ausgestanden ist.

Laut einer Umfrage (2022) des Hilfswerks der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (HEKS) sind SLAPP-Klagen in der Schweiz sprunghaft angestiegen. Zwischen 2000 und 2010 wurden nur zwei Klagedrohungen oder Klagen registriert, ab 2010 zählte man 17. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, wurde 2023 die Schweizer Allianz gegen SLAPP gegründet. Die Allianz setzt sich für eine Gesetzgebung ein, die Einschüchterungsklagen verhindert, bringt das Thema SLAPP in die Öffentlichkeit und unterstützt betroffene NGOs. «Die Politik muss gegen diesen Rechtsmissbrauch vorgehen. Wir dürfen nicht zulassen, dass die öffentliche Debatte und die Kritik an zweifelhaften Akteuren durch juristische Manöver ausgebremst werden. Diese Art von Maulkorb gefährdet Kontrollmechanismen, die zum guten Funktionieren einer Demokratie gehören», sagt Markus Allemann, Geschäftsleiter von SWISSAID.

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