Jenseits der Nothilfe – die ukrainische Gemeinschaft der Mediator:innen und Dialog-Moderator:innen

Zeremonie zum Hissen der Staatsflagge auf dem zentralen Platz von Cherson. President Of Ukraine/Flickr
swisspeace

Die russische Invasion der Ukraine am 24. Februar 2022 wurde von der ukrainischen Zivilgesellschaft mit umfangreichem Widerstand und sofortigen Reaktionen beantwortet – von der Evakuierung der Bevölkerung bis hin zum Einsatz von Kunst als Mittel des gewaltlosen Widerstands. Seit Jahrzehnten hat die Gemeinschaft der Mediator:innen und Dialog-Moderator:innen (CoP) eine Kultur des Dialogs und der gewaltlosen Konfliktlösung in der Ukraine gefördert und eine professionelle Identität entwickelt. Nach dem Kriegsbeginn in 2014, wurde die Gemeinschaft ein wichtiger Wegbereiter für sozialen Zusammenhalt und Widerstandsfähigkeit auf nationaler und lokaler Ebene.


Die Gemeinschaft war in der Lage sich selbst zu mobilisieren und auf die Invasion im Februar 2022 zu reagieren. Sie versammelte ein Netzwerk aus 30 NGOs um ein gemeinsames Statement zum Krieg und Dialog zu formulieren. Seitdem haben Mediator:innen und Dialog-Moderator:innen mehrere ehrenamtliche Initiativen umgesetzt, um auf die Bedürfnisse der Menschen vor Ort einzugehen und ermöglichten, sogar während des Kriegs, einen Übergang von Nothilfe zu Regenerierung und Entwicklung. Die grösste Innovation der CoP diesbezüglich war die Integration von psychologischer und psychosozialer Hilfe in die konventionelle Mediations- und Dialogarbeit im Rahmen der gemeinnützigen Arbeit.


Im April 2022 richtete die CoP mobile Teams aus Mediator:innenen und Psycholog:innen ein, die im Westen der Ukraine psychologische und Mediations-/Dialogdienste für Binnenvertriebene und Aufnahmegemeinschaften in Unterkünften und humanitären Zentren anbieten. Von April bis Dezember 2022 waren neun mobile Teams in Lwiw, Iwano-Frankiwsk, Czernowitz, Ternopil, Riwne, Stryi, Ushorod und Mukatschewo im Einsatz, die von verschiedenen Spender:innen unterstützt wurden. Ergänzend dazu, boten CoP Mitglieder Familienmediationsdienste in Kombination mit psychosozialer Unterstützung und Unterstützung der psychologischen Gesundheit für Familien mit Kindern an, die vom Krieg betroffen sind. Sie arbeiteten mit Schulen, um Trauma-sensibles Konfliktbehandlungstraining für Erzieher:innen und Lehrer:innen anzubieten und die Konfliktlösungsfähigkeiten von Kindern und Jugendlichen zu verbessern. Die CoP Mitglieder beschäftigten sich aktiv mit der Forschung zu Konfliktreaktionspraktiken innerhalb der ukrainischen Zivilgesellschaft und mit spaltenden/verbindenden Narrativen in sozialen Medien. Basierend auf letztere Forschung realisierte ein Mitglied des CoP Netzwerks eine nationale Kampagne auf Social Media, die 20 Millionen Menschen erreichte, um verbindende Narrative zu fördern und gegen die spaltenden Narrative in der Gesellschaft anzugehen.


Die Wiederbelebung der gesellschaftlichen Struktur, die durch den Krieg beschädigt wurde, ist notwendig, um eine zukünftige, ukrainische Gesellschaft wiederaufzubauen. Es ist wichtig darüber auch in Zeiten von Krieg und neben der Nothilfe strategisch nachzudenken. Daher fördert und erprobt CoP derzeit integrative Dialoge auf Gemeindeebene zum Wiederaufbau vor Ort und entwickelt bürgernahe Ansätze für künftige «Transitional Justice».

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