Keine Neutralität angesichts schwerer Völkerrechtsverletzungen

Pixabay/Wilfried Pohnke
Schweizerische Friedensrat
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Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat letztes Jahr – neben dem bevorstehenden Einsitz in den UNO-Sicherheitsrat – die Neutralität der Schweiz wieder und dringlich auf den Prüfstand gestellt. In erster Linie ging es dabei um die politische Neutralität, aber mit der Kriegslage zunehmend auch um ihre Essenz, die militärische Neutralität. Während der Bundesrat unter dem Druck der europäischen Sanktionen gegen Russland nicht anders konnte als sich weitgehend anzuschliessen und sich damit klar gegen den russischen Angriff zu positionieren, und er sich ausserdem für den Wiederaufbau der Ukraine und die Aufnahme der Flüchtlinge engagierte, verweigerte die Schweiz jegliche Solidarität bezüglich einer minimalen Unterstützung des ukrainischen Widerstandes. So erlaubte der Bund nicht einmal die Weitergabe von Munition durch Deutschland für die Abwehr der verheerenden russischen Luftangriffe auf die zivile Infrastruktur der Ukraine während des Herbsts und Winters.

Im Gegensatz zu Finnland und Schweden, die ihre Neutralität nach dem Beginn des Krieges aufgegeben haben und der NATO beitreten möchten, stellt sich diese Option für die Schweiz nicht. Doch dürfte die Auseinandersetzung um eine Neuausrichtung der Neutralitätspolitik vertiefter diskutiert werden, je länger der Krieg andauert. Seit die Schweiz Mitglied der UNO ist, kann sie sich auch nicht mehr auf das Argument der Neutralität berufen, denn die UNO-Charta ist für sie verbindlich, und sie verurteilt nicht nur Angriffskriege, sondern verlangt auch, die Angegriffenen zu unterstützen.

Extrem nationalistische Kreise reagierten auf die verhängten Ukraine-Sanktionen mit der Lancierung einer sogenannten Neutralitätsinitiative, die wirtschaftliche Massnahmen gegen Länder nur dann erlaubt, wenn sie eindeutig von der UNO verhängt werden. Bis über diese Initiative abgestimmt wird, dürfte es aber noch Jahre dauern. Die gleichen Kreise hatten in einer Sondersitzung im Frühling noch vergeblich versucht, den Einsitz des Landes in den UNO-Sicherheitsrat für die nächsten zwei Jahre zu verhindern, den sie jahrelang wegen Neutralitätsbedenken bekämpft hatten. Die Chance besteht nun, im höchsten UNO-Gremium mit einem wegweisenden aussenpolitischen Engagement für Solidarität und Völkerrecht zur internationalen Friedenssicherung beizutragen. Im Rahmen der UNO gehört dazu jedoch nach dem Krieg um die Ukraine der Einsatz für eine verstärkte Rüstungskontrolle und Abrüstung, insbesondere bei den atomaren Waffen. Minimale Voraussetzung dafür ist, dass die Schweiz unverzüglich dem Atomwaffenverbotsvertrag beitritt.

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